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Helmfrauen

Tagtäglich begegnen mir die unterschiedlichsten Menschen - manche sind unauffällig, fast grau, andere wiederum geradezu grell, kreischend bunt oder sonst irgendwie besonders aus der Masse herausstechend.

Ungerne kategorisiere ich Menschen, aber manche schreien geradezu danach in eine Schublade gesteckt zu werden. Mit den Zeigefingern beider Hände zeigen sie auch "ihre" Schublade, wollen mir sogar helfen sie zu öffnen. Zum Beispiel die Helmfrauen.

Die gemeine Helmfrau ist grob geschätzt zwischen Mitte vierzig und Ende fünfzig. So genau kann man das nicht sagen - sie sehen eigentlich alt aus wenn man den Grad der Restaurierungsarbeiten betrachtet. Ihre Leibesfülle kann man mit zwei zugedrückten Augen als übermäßig beschreiben. Das alleine ist nichts besonderes, schließlich trifft das auf eine immer größer werdende Zahl von Menschen in unserer überzivilisierten Welt zu.

Was sie hingegen schon zu etwas sehr besonderem macht, ist die Haarpracht. Helmfrauen verwenden jede Menge Haarspray. In meiner Jugend als der FCKW-Hype noch das Sommerloch füllte, hätte man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Vorsichtige Schätzungen sprechen von einer Dose Haarspray pro Woche. Besonders interessant ist aber die Form der Haarpracht, von der diese Spezies auch den Namen hat - sie ähnelt tatsächlich einem Helm. Es können noch so viele Locken drapiert worden sein, vermisst man die Oberfläche, so bemerkt man die ideale Helmform.

Zwar habe ich mich bis dato nicht erdreistet auch die Stoßfestigkeit zu prüfen, aber ich denke den Einschlag einer Zwetschke (dt. Pflaume) aus rund 10 Meter Höhe überlebt die Frisur absolut unbeschadet. Natürlich ist die so in Form gequetschte Haarpracht nahezu ausnahmslos coloriert. Sei es um bereits verblassendes Haupthaar zu kaschieren oder gar eine ganz andere Farbe vorzutäuschen, wer weiß.

Darüber hinaus investiert die Helmfrau eine Menge Zeit in die tagtägliche Kriegsbemalung. Schattierungen oder Farbverläufe kennt die Helmfrau nicht. Kirschholzbraun ist der am weitesten verbreitete Taint der Helmfrauhaut. Die UV gefärbten benötigen unter der Farbschicht eine größere Menge Spachtelmasse um die UV Falten zu überdecken. Die grobporigen haben ein ähnliches Problem. Leider scheint aber die Kosmetikindustrie keine geeignete Spachtelmasse anzubieten, weswegen färbende Feingranulate (Puder) oder pastöse Deckfarben in dickeren Schichten aufgetragen werden.

Um einem potentiellen Gegenüber die Orientierung im harmonisch gefärbten Gesicht zu erleichtern, werden Mund und Augen durch spezielle Färbemaßnahmen besonders hervorgehoben. Manche Helmfrau übertreibt dies derart, dass kleine Kinder bei dem Anblick Schrei- und Heulkrämpfe bekommen.

Aber auch an den mitgeführten Utensilien lässt sich eine Helmfrau leicht erkennen - dem gemeinen Weidenkörbchen. Der Inhalt scheint abgesprochen und einem Kodex entsprechend - zu unterst ist ein Stoffbeutel mit undefinierbarem Inhalt, darauf liegen dann entweder Schlüsselbund, Geldtasche (im Ausmaß der einer Servierkraft im örtlichek Kaffeehaus) sowie Mobiltelefon (Handy) bzw. einer beliebigen Kombination aus diesen Gegenständen.

Noch nicht herausgefunden habe ich den Tagesablauf dieser Helmfrauen. Zwar sehe ich immer wieder einige Exemplare den Bau verlassen, den örtlichen Frisör aufsuchen oder einkaufen - aber abgesehen davon scheinen sie sich irgendwo zu verstecken - möglicherweise ist hier eine Verschwörung im Gange?

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